Indonesien
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Mount Bromo und Ijen-Plateau Tour

Wir haben nur ein paar Stunden geschlafen. Morgens um halb eins geht es los. Unsere Gruppe ist größer geworden: Chantal und Noortje, zwei Niederländerinnen, Carsten aus Düsseldorf, Robert und ich. Unser Guide heißt Noofie, und Mr.Black ist unser Fahrer. Die Fahrt beginnt relativ ruhig aber schon nach kurzer Zeit geht es in die Berge. Wir schrauben uns über Serpentinen Berge hinauf und hinunter, unter uns die Lichter von Malang über uns ein klarer Sternenhimmel.

Gegen 3 Uhr sind wir am Eingang zum Bromo-Nationalpark. Es ist empfindlich kalt. Wir steigen in einen kleinen Jeep um und fahren noch einmal 30 Minuten in die Höhe. Oben ist es richtig kalt. Ich bin froh Fleece- und Regenjacke dabei zu haben, ziehe beides an. Für 10.000 Rupies vermieten Einheimische gefütterte Friesennerze an Touristen. Wir sind früh dran uns müssen noch etwa eine Stunde warten. Natürlich sind wir nicht die Einzigen, die den Sonnenaufgang über Mt. Bromo ansehen wollen. Mit ein paar anderen sitzen wir dicht gedrängt (das wärmt) auf einer Holzbank und trinken Tee oder Kaffee. Dann geht es los. Obwohl sich 200-300 Menschen einfinden, können wir gut sehen und erleben, wie das beginnende Tageslicht Falten und Strukturen der Vulkanlandschaft aus dem Dunkel modelliert. Vor uns sehen wir die weite Ebene der Sandwüste, der Bromo wirkt eher klein, aber er raucht beständig. Bei Belichtungszeiten von einer Sekunde und länger bin ich froh über Annes Geburtstagsgeschenk, ein kleines, leichtes aber sehr stabiles Reisestativ. Der Jeep fährt uns jetzt nach unten, durch die Sandwüste zum Fuß des Bromo. Hier steht ein kleiner hinduistischer Tempel. Wir erfahren, dass die Vorfahren der Menschen, die heute hier leben keine Kinder bekamen, nachdem Sie sich am Fuß des Berges niedergelassen hatten. Sie sprachen mit ihren Göttern. Der Deal war, dass sie das letztgeborene Kind eines Jahres dem Berg opfern sollten. Die Götter hielten Wort und die kleine Gruppe hatte bereits im kommenden Jahr 25 Nachkommen. Ritus und Menschenopfer hatten hier am Berg lange Tradition. Auch heute wird das Fest noch gefeiert. Anstatt der eigenen Kinder wird aber ein Rinderkopf in den Vulkan geworfen.

Den Kraterrand des Bromo kann man über Treppen besteigen. Und die hundertköpfige Menge tut dies auch, ob in Badelatschen oder Wanderstiefeln. Der Krater ist nicht sonderlich tief, ein flacher Kegel, der aber mächtig raucht. Es riecht nach Schwefel. Wenn wir eine stärkere Ladung abbekommen, tränen die Augen. Vom Rand teilt sich der Blick nach unten: auf der einen Seite in den rauchenden Kegel und auf der anderen Seite in die weite Sandwüste, auf einen kleineren Kegel und den kleinen hinduistischen Tempel. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sandsees steigt das Gelände abrupt an. Oben, auf einer Hochebene liegt das Dorf Cemoro Lawang, in dem wir frühstücken. Gestärkt haben wir noch einmal einen herrlichen Blick über diese Landschaft. Es ist angenehm kühl hier oben. Gegen zehn geht es dann wieder auf die Piste.

Wir fahren bergab. Viele Meter, so dass sie Ohren knacken. Ein wunderschönes Morgenlicht. Unendlich viele wunderschöne Trompetenbäume säumen die Straße. Noofi weist uns auf eine Gemüsefarm hin, die ausschließlich steile Hänge bewirtschaftet. Alles sieht sehr geordnet, geplant angelegt aus und all diese großen Flächen können nur in Handarbeit bewirtschaftet werden.

Bis wir abends gegen 18 Uhr unsere Unterkunft erreichen fahren wir immer weiter nach Osten, sehen große Plantagen: Tabak, Zuckerrohr, Chili, Obst, Reis und in den höheren Regionen Kaffee. Unsere Route geht an der Nordküste von Jawa entlang. Zum ersten Mal auf dieser Insel sehen wir das Meer. Mangroven vermitteln zwischen Wasser und Straße. Nicht immer frei von Müll. Robert sagt: Hier ist das Meer einfach nur Wasser… Wir sind jetzt ganz in der Nähe Balis. Bevor wir die Küstenstraße wieder verlassen und uns über Pisten in die Berge schrauben sehen wir das größte Kraftwerk Javas. Mit Schiffen wird die Kohle an diesen Ort gebracht und verstromt. Es gibt keine alternativen Transportwege: Der Streifen zwischen Gebirge und Meer ist hier nur etwa einen Kilometer breit. Auf diesem Streifen konkurrieren Landwirtschaft, Siedlungen und Verkehr.

Im Abendlicht fahren wir zwischen Tabak- und Kaffeeplantagen. Die Felder sind groß und klar gegliedert. Wir befinden uns auf einer höher gelegenen Ebene. Die Straße ist kaum einen Wagen breit, die aufgebrochenen Stellen sind größer als das intakte Pflaster. Carsten meint, die Holländer hätten hier 1940 zum letzen Mal asphaltiert. Ob er recht hat? Voll beladene Laster kommen uns entgegen. Auf der Ernte hocken 4-5 Meter über der Straße die Erntearbeiter. Sie fahren nach Hause. Mit Einbruch der Dunkelheit fahren wir eine Wald- und Kaffeeplantagenstrecke entlang. Hier wird die Sorte Arabica angebaut, im Gegensatz zur Robusta kein Hochstamm sondern ein kräftiger Busch. Wir fahren parallel zu einem kleinen Bach, der sich in das Gelände schneidet. Beeindruckend: jeder Quadratmeter der steilen Uferfläche ist mit Kohl bepflanzt. Nur von Hand können diese Flächen bebaut werden. Die Ordnung der Köpfe an einem solch amorphen Ort wie einem mäandernden Bachtal ist faszinierend. Kein Foto.

Unser Homestay ist eine große Herberge mit überraschend guten Zimmern. Alle Minibusse mit der Bromo-Ijen-Bali Route halten hier. Bevor es ganz dunkel ist gehen wir die 20 Meter ins ‚Dorf‘. Eine Art Reihenhaussiedlung. Gepflegte kleine Häuschen mit kleinem Vorgarten und einem kleinen Teich. Zwischen den etwa 5-6 Meter voneinander entfernten Reihen haben die Bewohner Dächer konstruiert und an dieser Rückseite spielt sich soziales Leben ab. Hier brennen Feuer (es ist nicht so warm, wie im Tiefland), Menschen sitzen beieinander und unterhalten sich. Eine Ansiedlung für die nahe Zigarettenfabrik, die Wand an Wand mit unserem Homestay liegt. Das alte Dorf liegt ein paar Meter tiefer. Es gibt noch ein wirklich gutes Abendessen, ein Bier, das wir noch ergattern teilen wir zu fünft. Dann gehen wir ins Bett, es ist 20 Uhr und um vier klingelt wieder der Wecker.

Eine gute Stunde Fahrt und wir sind um 6 Uhr morgens am Eingang des Ijen-Nationalparks. Der Eintritt ist im Preis unserer Tour enthalten, nur die Fotografiererlaubnis müssen wir extra bezahlen. Dann laufen wir los, immer leicht bergauf in den Nationalpark hinein. Wir wissen nicht genau, was uns erwartet.

So vieles im Reiseführer gelesen und im Kopf durcheinander gewürfelt. Ich erwarte nach diesem Aufstieg das Ijen-Plateau zu erreichen und von dort aus in die Runde dreier Vulkane zu blicken. Oder auch nicht, denn heute morgen ist es neblig. Wir treffen Männer, die mit einer Bambustrage mit zwei Körben den selben Weg gehen. Schwefel-Minen-Arbeiter, davon hatte ich gelesen, lassen sich mit ihren Körben gegen ein kleines Entgeld fotografieren. Mir liegt das nicht und ich verzichte auf solche Bilder. Es geht immer weiter bergauf, der Weg wird steiler. Längst haben wir unseren Guide hinter uns gelassen, eine Frau gibt auf und kehrt um. Ab und an stehen Körbe gefüllt mit Schwefel am Wegrand. Erst später erkenne ich, dass sie immer erhöht abgestellt sind, so dass der Träger sie von unten wieder auf die Schultern bekommt. Männer, die mit leeren Körben bergan gehen gesellen sich zu uns und versuchen uns mit wenig Englisch etwas über ihre Berge und den Aufstieg zu erzählen. Es wird immer nebliger, bald kann man die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Und es riecht nach Schwefel. Das ist nicht nur Nebel, es ist Schwefeldampf aus dem Vulkan. Obwohl wir wenig sehen, verstehen wir, dass wir auf dem Kraterrand angekommen sind, dass unten im Krater ein wunderbarer See auf uns warten würde. Dazu müssen wir aber einen Kilometer in diesen stinkenden Höllenschlund hinabsteigen. Bevor es langsam bergab geht ein Schild auf englisch: ‚It is striktly forbidden to all visitors to go down the Crater‘. Wir gehen trotzdem. der Pfad ist schmal, man kann nur hintereinander gehen und es gibt wenige Plätze um den Gegenverkehr vorbei zu lassen. Und dass ist wichtig. Die Männer, die uns von unten aus dem Dunst entgegen kommen tragen in ihren Körben angeblich zwischen 60 und 100 kg Schwefel auf den Schultern den steilen Berg hinauf. Jeder Schritt muss sitzen, jeder Impuls muss stimmen um mit dieser Last am Berg im Gleichgewicht zu bleiben. Einen sehen wir in Badelatschen, der größere Teil hat Gummistiefel. Meine professionellen amerikanischen Wanderstiefel erweisen sich als aalglatt auf dem nebelfeuchten Stein. Immer wieder rutsche ich, ballanciere mit der Kamera. Geröll läuft sich leichter. Robert ist schon nicht mehr zu sehen. Ich habe ob der glatten Schuhe wirklich Angst unten heil anzukommen. Glückliches Vergessen: Erst beim Aufstieg erinnere ich gelesen zu haben, dass ein Franzose hier im letzten Jahr von Schwefelgasen betäubt gestürzt und zu Tode gekommen ist. Ich habe auch keine Wahl. Vor, hinter und in Gegenrichtung ist Verkehr. Inzwischen habe ich einen hübschen Schwefelminer an meiner Seite. Er geht bergab, passt auf mich auf, bedeutet mir zu halten, wohin zu treten, wenn die schwer tragenden Kollegen entgegen kommen, weiter zu gehen und immer wieder ‚Attencion!‘ Zwei-, dreimal kommen wir durch dichte Dampfschwaden, die in Lunge, Nase und Augen beißen. Die Minenarbeiter haben ein zweites T-Shirt um den Hals gebunden, durch dass sie dann atmen. Der Kragen meiner Fließjacke ist deutlich zu weit entfernt. Dann öffnet sich der Blick einen kurzen Moment nach unten auf den See. Er ist noch tief unter mir. Es ist unglaublich.

Ich bin absolut glücklich und dankbar als wir unten ankommen, die Wege breiter und weniger steil werden. Ich bin absolut glücklich und dankbar für meinen ‚Betreuer‘ Sebastian. Ohne diese Hilfe wäre ich beim Abstieg vor Angst verzweifelt. Robert ist schon unten und strahlt, es ist ein Traum. Wir haben verstanden, dass die Minenarbeiten hier einen dreifachen Dienst leisten: Sie sorgen dafür, dass wir Touristen den aufsteigenden Kollegen nicht im Wege stehen, sie sorgen dafür, dass wir heil unten ankommen und sie verdienen sich etwas dazu. (Zum Miner-Lohn später mehr)

Zu meiner linken ist alles Gelb. Schwefeldampf tost aus der Erde und Rohren, sublimiert zu dem gelben Kristall und wird mit Eisenstangen vom Fels losgebrochen und in die Körbe verladen. Rechts nur noch wenige Meter unter mir liegt der türkisgrüne Kratersee umgeben vom Kraterrand. Das Erleben dieser – ich möchte sagen außerirdischen Landschaft  – obwohl das natürlich nicht stimmt, ist unbeschreiblich. Nicht in Worte zu fassen, auch meine Bilder können das nur andeuten. Wir sind wirklich glücklich und dankbar, so etwas Schönes sehen und erleben zu dürfen. Das Wasser im See ist heiß. Ständig ändert sich Licht, Nebel und Sicht. Immer wieder neue Bilder und auch den Wandel zu erleben ist wunderbar. Alle von uns, die nicht aufgegeben haben und den Weg gemacht haben, teilen das Gefühl. Nach einer Stunde verabschieden wir uns. Der Aufstieg geht wesentlich leichter. Der Tritt bergauf ist sicher, wir gehen mit, nicht gegen den Strom, es ist nur eine Frage der Kondition. Nur die beiden Male als der mäandernde Weg durch die dicken Schwefelschwaden führt beißen Augen, Nase, Lunge. (Erst am Nachmittag werden wir wieder mit vollem Volumen Luft holen können)

Beim Abstieg erfahren wir, dass die Arbeiter für 1kg Schwefel, den Sie aus dem Krater hinauf und dann ganz nach unten zum Eingang des Nationalparks bringen 600 Rupien bekommen. Das sind keine 5 Cent. Für die Strecke mit leeren Körben hinauf brauchen sie etwa 1,5 Stunden. Mit vollen Körben geht es sehr viel langsamer. Der Abstieg ist steil und geht uns selbst ohne zusätzliche Last ganz schön auf die Kniegelenke. 2 mal am Tag, wenn Sie in Dunkelheit aufsteigen vielleicht auch dreimal können sie die Tour machen. 70 kg Schwefel 1000 Meter den Krater hinauf, dann 5 km bergab, 3-4 Stunden dieser Arbeit bringen 3 Euro 50. (Carsten erzählt: Der Rezeptionist eines Hotels in Blitar bekommt 900.000 Rupien/Monat (etwa €72), eine Nacht in diesem Hotel kostet 300.000-400.000 Rupien. Lieber Karl Heinz Marx: Wer sahnt hier den Mehrwert ab?)

Es ist erst gegen 11 Uhr, als wir uns mit dem Minibus wieder auf den Weg machen. Steil bergab über Straßen, die keine mehr sind. Schlimmer als jede Schotterpiste sind Straßen, die sich teilweise aufgelöst haben, teilweise aber noch aus festen Asphaltflecken bestehen. Der Höhenunterschied zwischen beiden kann 25cm und mehr betragen. Das ist wie eine steile Treppe hinab fahren. Wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Passieren, so fühlen wir, darf uns hier nichts. Wir sind mitten im Regenwald, hier kommt so schnell niemand vorbei. Mister Black meistert diese wie alle anderen Herausforderungen des Verkehrs cool und überlegen. Er lacht und macht Faxen mit dem Guide wärend wir im hinteren Teil des Busses zwischen Sitz und Decke auf und ab hüpfen.

Irgenwann wieder Spuren von Zivilisation, feste Wege und Kaffeeplantagen. Die kann man sich vorstellen als lichte Wälder mit hohen und niedrigen Bäumen. Die niedrigen sind die Kaffeebäume. Mr. Black hält an und zeigt und Kaffeeblüten, die stark wie Jasmin duften und Kaffeebeeren und einen Zimtbaum. Ich nehme an, dass ihr alle wisst, dass Zimt ein Teil der Rinde eines Baumes ist, der fein geschält wird. In den Zimtstangen rollt sich diese feine Schale dann wieder auf. Der Höhepunkt für uns Dummbatzen sind die Nelkenbäume. Viele Meter hoch auf einfachen Bambusleitern werden Nelkenblüten – ja, das Gewürz – einzeln mit der Hand von Frauen geerntet. Nelkenblüte bei uns ein Pfennigartikel. Auf unseren Fahrten haben wir viel Landwirtschaft, traditionelle und industrielle Verarbeitung gesehen. Wir haben gesehen, mit welcher Arbeit hier an Produkten gearbeitet wird, die wir im Westen oft gedankenlos verwenden. 95 von 100 Gramm getrockneter Nelkenblüten werfen wir weg, weil das Datum abgelaufen ist und für den Rotkohl nicht mehr gebraucht wird. Unsere Achtung vor der Arbeit dieser Menschen, vor Ihren Produkten ist immens gestiegen in diesen zwei Tagen. Wo wachsen die Nelken, wie sieht die Mangopflanze aus? Und zu Hause lachen wir schenkelklopfend über den Witz ‚und der Strom kommt aus der Steckdose’… Wie oft haben wir doch keine Ahnung. Fair Trade mach absoluten Sinn. Wer verdient denn was an den Nelken, wenn wir für 100 Gramm 2-3 Euro zahlen… Kakao, Kaffee, Tee…

Plötzlich sind wir dann doch unten und bald an der Fähre zu Bali. Hier verabschieden wir uns von Carsten, Chantal und Noortje, die nach Bali weiterreisen. Die meisten Tourristen reisen von West nach Ost. Robert und ich reisen gegen den Strom. Jetzt müssen wir noch 9 Stunden im Auto sitzen, bis wir Abends wieder in Malang ankommen.

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