Aufbruch, Myanmar
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Yangon (Myanmar)

17. – 19. Januar 2011

Sehr früh morgens verlassen wir Bangkok. Hunderte wollen mit Air-Asia ins 21. Jahrhundert und so warten wir eine Weile, bevor wir endlich eingecheckt haben. Wir müssen noch zum Zoll, zum VAT-Refund und wollen auch noch ein paar saubere Dollars besorgen – kaum bleibt Zeit für einen Kaffee. Es soll einen Geldautomaten geben, der neben Baht auch Euros und Dollars spuckt, aber keiner kennt ihn – weder die Banken noch der Zoll. Also heben wir Baht ab und tauschen in Dollars. In Myanmar werden nur neueste Noten ohne jeden Makel akzeptiert, die Kassiererin weiß dass und prüft jeden Schein einzeln. Nach dem Sicherheitscheck finden wir dann den Geldutomaten, den keiner kennt – im internationalen Teil des Flughafens. Für uns zu spät.

Wir nehmen die erste Maschine nach Yangon. Sie ist nicht einmal halb voll. Ein nagelneuer Airbus, ein Gruß aus der Heimat. 90 Minuten später landen wir in Myanmar. Schon aus der Luft sehen wir die goldenen Pagoden, für die dieses Land  berühmt ist, in der Morgensonne glänzen. Eine halbe Stunde müssen wir unsere Uhr zurückstellen. Dann geht es an die Einreiseformalitäten. In mir werden Erinnerungen an die Zeiten wach, in denen ich mit einem Mehrfachberechtigungsschein (so hieß das für uns Westberliner) nach Ost-Berlin  wollte. Gleich an der Treppe sehen wir den erst im März gebauten ‚Visa-on-arrival-Schalter‘. Fenster und Türen sind offen, der Bereich ist leer – keine Möbel, keine Mitarbeiter. Im September, rechtzeitig vor den Wahlen im November, hatte Myanmar das neue Programm wieder eingestellt. Nachdem, was wir hier lesen, wird das auch so bleiben. Robert muss vor der Passkontrolle noch mal auf die Toilette, braucht länger als die anderen Passagiere und ich, der ich im internationalen Bereich meine Kreise drehe, habe gleich drei unauffällige Beobachter an der Seite. Murphys Gesetz bewahrheitet sich wieder einmal: unsere Schlange kommt am langsamsten voran. Robert nimmt schließlich den Nebenschalter und kommt gerade noch rechtzeitig, als Arbeiter unsere Rucksäcke vom Band nehmen wollen. Der nächste Flieger ist gelandet.

Der Flughafen ist übersichtlich. Es gibt ein Café und einen Taxistand. Eine gute halbe Stunde dauert die Fahrt ins White-House-Hotel, in dem Julia, die schon seit zwei Tagen hier ist, ein Zimmer für uns reserviert hat. Gleich jetzt, auf dieser Fahrt machen wir Bekanntschaft mit Betel, der Droge, die hier wie Zigaretten konsumiert und gehandelt wird. Unser Fahrer hat die typisch dicke Backe, spuckt haufenweise rot aus dem Seitenfenster des Wagens. Wären wir nicht vorgewarnt, hätten wir wohl massives Zahnfleischbluten vermutet. Leider lässt Betel nicht nur die Wangen anschwellen und färbt die Bürgersteige (es gibt welche!!!) rot, sondern verändert strahlend weiße Zähne zu schwarzen Stummeln und verunstaltet so manches hübsche Gesicht. Und hübsch sind sie wieder die Burmesen, mit dunkler Haut, strahlenden Augen und viel Lachen im Gesicht. In der Stadt sehen wir dann auch viele sehr dunkle Menschen, vor Generationen aus Indien und Bangladesch eingewandert.

Die letzten Meter zu unserem Hotel müssen wir laufen. Die Straße ist von Autos nicht zu befahren. Das Hotel befindet sich in Downtown, unweit der Sule Paya und des Flusses. Es hat eine angenehme Atmosphäre und eine sehr nette Bewirtung. Das Haus ragt sehr hoch hinaus und bietet vom Dach eine herrliche Aussicht über die Stadt. Von hier können wir auch die wunderschönen Sonnenuntergänge bewundern. Das Beste des Hotels jedoch ist das Frühstücksbüffet. Für Gäste ist es in der Übernachtung mit drin, für andere kostet es 10 Dollar. Und es ist fantastisch: tolle verschiedene Salate, Dips, Rührei, Pommes, die leckersten Pomelos der Welt, frische Kotzfrucht (Robert und andere sagen: Papaya), Brot, das über Grillkohle getoastet wird, mit Banane gefüllte Sandwichtoasts, Tee, Kaffee, von allem soviel das Herz begehrt. Wir kommen gerade noch rechtzeitig im Hotel an, um gleich am ersten Tag in den Genuss dieses Frühstücks zu kommen und können nicht genug hineinschaufeln.

Alle Wände, Böden, Säulen, Treppen – das ganze White-House ist mit echtem Marmor-Bruch gekachelt. Manchmal in einfachen Strukturen, es gibt aber auch Blumen und andere großflächige Muster. Eine Besonderheit sind die Leitungen in diesem 8-stöckigen Haus. Alle Stromleitungen, Schalter, Glühbirnen und Steckdosen gibt es doppelt: Für den (häufig ausfallenden) Netz- und den hauseigenen Generatorstrom. Den Vogel schießen jedoch die Wasserleitungen ab: Seht Euch die einfache Duschinstallation unseres Zimmers auf dem Foto an!

Das Wiedersehen mit Julia ist herzlich. Wir verschrecken eine junge Kanadierin, als wir uns plötzlich auf Deutsch unterhalten. Mit Julia wollen wir die nächsten Tage am Strand verbringen, doch erst einmal entdecken wir Yangon, bis 2005 Hauptstadt Myanmars. Da die Astrologen den Generälen von Yangon als Hauptstadt abgeraten haben, verlegte die Regierung ihren Sitz und errichtete eine „künstliche“ neu angelegte Stadt namens Pyi Taw.

Wir laufen zur Shwedagon-Paya, dem wichtigsten buddhistischen Heiligtum Myanmars. Die Stadt quirlt und lebt. Überall dunkle Menschen mit funkelnden Augen. Und laute kraftvolle Stimmen. In Teestuben und an den Straßenständen wird laut gerufen, Waren oder Dienstleistungen angeboten. Kein Pressen der Stimme, kein Schreien, Ausdruck von Emotion, einfach Kraft aus den kleinsten Körpern. Beeindruckend. Wir laufen einen Umweg um einen riesigen Krankenhauskomplex. Roter Klinker, grüne Läden, Gitter vor den Fenstern. Wir müssen auf unsere Füße aufpassen, wenn wir nicht riskieren wollen dort einen Gips verpasst zu bekommen. Die Gehwege sind voll plötzlicher tiefer Löcher.

Der erste Eindruck von Yangon ist überraschend. Ich hatte ein zurückgebliebenes Land erwartet. Was ich hier sehe will sich bewegen, will in die Zukunft. Es gibt Großplakate für englischsprachige Schulen und Lifestyle-Artikel, neue moderne Appartement-Häuser werden gebaut. Es gibt Mobilfunk-Läden und Elektronik-Artikel. Später werden wir auch Golf-Shops sehen. Dennoch, der Großteil des Handels findet in den Straßen und auf den Märkten statt. Auf der Straße wird auch telefoniert. Von irgendwoher kommen ein paar Kabel, mit Krokodil-Klemmen sind verschiedenfarbige Telefone angeklippt und fertig.

Zu Fuß gehen ist eine Herausforderung. Das Überqueren der mehrspurigen Straßen erfordert einen schnellen Entschluss für die Lücke, und die Luft in Yangon ist so heftig mit Abgasen versetzt, das wir froh sind, als wir die Shwedagon-Paya endlich vor uns sehen. Sie beeindruckt nicht nur durch ihre Größe. Dieses Heiligtum ist das bedeutendste Myanmars, eine lebendige religiöse Stätte und kein wie so oft in Asien zum Museum verkommener Ort. Hier ist auch endlich wieder der Zauber, die Energie und Magie zu spüren. Kaum haben wir den inneren Bereich um die mit echtem Gold belegte Stupa erreicht, herrscht Ruhe und Frieden. Das Licht zeigt schon die warme Färbung des Nachmittags. Viele Menschen sind hier. Überwiegend burmesische Touristen, die ihre Paya besuchen. Direkt um die zentrale Stupa herum finden sich kleine Altäre für die Totems der Wochentage. Acht, denn der Mittwoch, Buddhas Geburtstag hat zwei Totems. Eines für den Vor- und eines für den Nachmittag. Jedes Totem steht für bestimmte Eigenschaften. Hier mischt sich alter Kult mit einem eigentlich gott- und geisterlosem Buddhismus. Burmesen beten hier vor dem Totem, der zum Wochentag ihres Geburtstages gehört. Für Robert ist das das Meerschweinchen (denn er ist an einem Freitag geboren) und für mich eine Naga, eine Art drachenköpfige Schlange (Samstag).  Über jeder dieser Tiertotems thront ein Buddha. Beide werden mit Wasser übergossen und ein bisschen gereinigt. Wir erfahren, das es Glück bringen soll das Totem und auch den Buddha so oft mit Wasser zu übergießen, wie man alt ist. Doch aufgepasst: Wenn hier ein Kind geboren wird, ist es bereits ein Jahr alt, das es ja bereits im Mutterleib eine Zeit wichtiger Erfahrungen hinter sich hat. Ab ersten Geburtstag wird es zwei. Apropos Kalender, hier ins Asien schreiben wir das Jahr 2554. Am Flughafen in Bangkok hatten wir uns über die 54 als Jahreskenner gewundert. Nicht nach Christus, sondern nach Buddhas Geburt werden hier die Jahre gezählt.

Weiter außen liegend finden sich verschiedene kleine Tempel und Schreine mit verschiedenen Buddhastatuen aus unterschiedlichen Zeiten. Auch einen Schrein mit 3 Nags (den burmesischen Geistern) können wir finden.

Wir bleiben einige Stunden im bedeutendsten Heiligtum der burmesischen Buddhisten. Wir erleben eine tief gläubige lebendige Religion. Manche suchen sich einen stillen Platz, meditieren oder singen leise. Andere gehen von Buddha-Bild zu Buddha-Bild und verrichten ihren Dienst. Glauben ist hier lebendiger Teil des alltäglichen Lebens. Hier zur Shwedagon-Paya will jeder Buddhist Myanmars wenigstens einmal im Leben pilgern. Wir sehen junge, beinahe westlich gestylte Jugendliche mit coolen Sonnenbrillen und Fönfrisuren ebenso wie ältere Menschen in traditioneller Kleidung. In der Religion scheinen Männer und Frauen zunächst auch gleichberechtigt. In Mandalay werden wir später eine Paya sehen, wo Frauen nicht so nah wie Männer an einen bestimmten Buddha herankommen.
In einer Ecke, die einen schönen Blick auf die Stupa bietet, ist ein Platz zum Beten oder Meditieren eingerichtet. Es ist der Platz für Kraft und Erfolg, wie wir erfahren. Wir setzen uns eine Weile. Zur gleichen Zeit mit uns sind etwa 20 Mönche gekommen. Sie fotografieren sich gegenseitig, sind also sicher auch als Touristen hier, ihre Paya zu besuchen. Sie setzen sich, und beginnen zu singen und zu rezitieren, während das Sonnenlicht langsam schwindet. Es gibt eine Sitte hier, die ich mir für mein zu Hause wünsche. Wenn jemand an einem anderen Menschen vorbei oder vor ihn möchte, achtet er dessen geistige Ausrichtung und Konzentration. Sei es der Kontakt zu seinem Buddha oder einfach dessen Gespräch mit einem anderen Menschen. Immer wird in gebeugter Haltung vorbei gegangen um den Kontakt, die Konzentration des anderen nicht zu unterbrechen. Dabei ist es gleich wer der andere ist. Es gibt diese hohe Achtung vor der Spiritualität des anderen. Jetzt darauf zu schließen, dass man daran andere westliche Konzepte wie Freundschaft oder gar Selbstlosigkeit knüpfen könnte wäre aber fahrlässig.

In allen Tempeln, Klöstern und anderen heiligen buddhistischen Orten wird immer barfuß gegangen. Schuhe und Socken kann man abgeben oder einfach an den Eingangstreppen stehen lassen. Schon wegen unseres Klimas ist das zu Hause abgesehen vom Sommer nicht vorstellbar. Dabei ist es so ein fantastisches Konzept. Mit den nackten Füßen den Boden zu berühren erdet uns, bringt Sinnlichkeit, stellt eine direkte Beziehung zwischen unserem Körper und dem Ort her, den wir betreten. Es geht aber wohl eher um Sauberkeit und Achtung bei diesem Konzept. Auch in privaten Wohnungen ziehen Gäste die Schuhe aus. Das Säubern privater und ritueller Bereiche scheint sehr wichtig in einem sonst er staubig und schmutzig wirkenden Land. Hier in der Shwedagon-Paya kann man mit dem Säubern des Bodens auch Verdienste erwerben, die sich günstig auf das Karma auswirken sollen. Ganze Gruppen fegen und wischen hier (mit meterbreiten Feudeln) den Boden. Das wirkt schon beinahe wie eine Gaudi. Und bestimmt muss man Besen oder Feudel für Geld leihen, das dann der Paya oder einfach einem Besen-Verleiher zu Gute kommt.

Julia, Robert und ich erleben die Atmosphäre hier oben so inspirierend und wohltuend, dass wir beschließen zum Abschluss unserer Zeit in Myanmar hier einen ganzen Tag zu verbringen. Wir erkundigen uns daher, ob es auf dem Gelände eine Toilette gibt und es gibt eine, ‚only for foreigners‘, das heißt wohl: erträglich sauber. Zurück ins Hotel fahren wir mit dem Taxi. Robert sitzt vorne und stirbt tausend Tode, während der Fahrer versucht niemanden zu töten. Julia hat uns zwei Tage voraus und führt uns in ein bekanntes Myanmar-Restaurant. Sie warnt uns: das Essen sehe schrecklich aus, schmecke aber sehr lecker. Wir stehen vor Töpfen mit braunen, dunklen, stückigen Inhalten und wählen drei. Besonders das Rindfleisch ist super-lecker.

Es fällt schwer den Zauber dieses Landes in Worte zu fassen, er ist mehr etwas für das Herz als für den Kopf.

Nach ausgiebigem Frühstück beginnen wir den nächsten Morgen auf dem Markt. Julia will Geld tauschen. Es ist heiß und trocken. Kaum das wir den Markt gefunden haben, werden wir schon angesprochen. 900 Kyat soll es für einen Dollar geben. Als wir dann auf verschlungenen Pfaden, durch die Schneiderei- und Andenkenabteilung des Marktes bei einem Juwelier landen, sind es nur noch 800. Den gleichen Kurs gibt’s im Hotel und hier lässt sich wesentlich stressfreier tauschen. Wir lassen uns noch etwas treiben, genießen die Farben, das Lächeln und manche Gerüche. Auf dem Rückweg machen wir Halt im National Café einer typischen burmesischen Teestube. Hier gibt es frisch gebackene Kekse und kleine Kuchen. Manche süß, manche herzhaft. Fragen können wir nicht und so probieren wir nach Augenschein. Es wird einfach ein Teller auf den Tisch gestellt, bezahlt wird das Verzehrte. Dazu gibt es stark gesüßten Milchtee in kleinen Tassen.

Fast alle Einheimischen, ob Mann, Frau, Kind, schmücken sich mit Thanakha. Aus dem Holz des Baumes, der in den trockenen Gebieten Myanmars wächst, wird auf einem Stein mit Wasser eine Paste gerieben und in einfachen Strichen ins Gesicht gerieben. Auf der dunklen Haut hat es einen leichten Glanz und erinnert uns manchmal an Gold.

Obwohl wir schon ziemlich erschöpft sind, lassen wir und nach einem kurzen Stop im Hotel zur Botataung Paya fahren, die direkt am Fluss liegt. Zentrale Reliquie ist ein Haar Buddhas, das im Mittelpunkt des sternförmig angelegten Tempels in einem über und über vergoldeten Schrein aufbewahrt wird. Vergoldet sind auch die Wände der umgebenden Kammern, in denen viele wunderschöne und alte Buddhafiguren hinter schweren Gittern und mit Alarmanlagen gesichert ausgestellt werden. Leider kann man bei diesem massiven Diebstahlschutz die Exponate kaum wirklich genießen.

Die Sonne ist schon untergegangen als wir die Paya verlassen. Sehr laute und ziemlich schräge Musik zieht uns an den Fluss. Auf einer sehr kleinen Bühne spielt ein Mann auf einer elektronischen Orgel, dazu wird live gesungen. Was aber aus den Lautsprechern kommt, könnte ein Fußballstadion beschallen. Wir kommen  zum absoluten Showdown. Die Straßenhändler packen ein. Ein rosarotes Pappmaché-Pferd zieht die Blicke an, auf dem Wasser schwimmt ein Schrein hell erleuchtet in einem kleinen Boot. Welche Zeremonie, welche Feier hier stattgefunden hat, erfahren wir nicht. Das Taxi bringt uns zurück zum Hotel. Heute gehen wir chinesisch essen. Etwas feiner, ins ‚Golden Duck‘.

Unser Hotel liegt ‘downtown’ in der Nähe des Flusses. In diesem älteren Teil der Stadt – indisches Viertel genannt, leben Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen. Die Synagoge, die wir nicht besuchen, gilt als älteste der Diasporazeit. Juden gibt es nicht mehr viele hier. Christen, Buddhisten und Moslems leben hier aber friedlich nebeneinander. Jede der Religionen hat in unmittelbarer Nachbarschaft ein Gotteshaus. Morgens, beim Hellwerden, hören wir jede Religion. Zuerst leise beginnen die Gesänge der Buddhisten in den Payas. Lautstark dann die Glocken der chrsitlichen Kirche, die zur Frühmesse ruft, gefolgt vom Muesin, erneutes Glockenleuten. Am Sonntag werden Predigt und Gesänge sowohl aus der Moschee und der Kirche per Lautsprecher übertragen.
Eine Möglichkeit die Stadt zu erkunden soll eine Zugfahrt auf einem die Stadt umrundenden Eisenbahnring sein. Wir kaufen ein Ticket, je Person kostet es einen Dollar, ich muss meinen Pass vorlegen und das Dokument wird auf meinen Namen ausgestellt. Wir sollen warten. Eigentlich ist es gar kein Bahnhof, nur ein unendlich langer überdachter Bahnsteig. Wir setzen und auf eine Steinkante im Schatten. Kleine fliegende Essenstände, Betel- und Zigarettenshops gibt es alle paar Meter. Kinder spielen mit allem was sie finden können, weinen und freuen sich. Kinderglück und Kinderleid scheint bei allen kulturellen Unterschieden gleich. Einfach, direkt und unmittelbar. Eine Gruppe sehr junger Nonnen wartet auf der gegenüberliegenden Seite auf den Gegenzug. Eine, die schon pubertiert, bettelt am Betelstand und bekommt selbstverständlich eine Portion. Später kommt sie noch einmal und holt Betel für ihre jüngeren ‘Schwestern’. Nur noch in wenigen Ländern gibt es buddhistische Nonnen. Myanmar ist eines davon. Die Nonnen tragen kein rostrot, wie ihre männlichen Kollegen, sondern Rosa, der Schal, den sie zum Schutz vor der Sonne in einem dünnen Streifen über Kopf und Nacken legen, ist safrangelb.

Mehr als eine Stunde müssen wir auf den richtigen Zug warten. Vielleicht eine viertel Stunde vor Abfahrt erscheinen zwei uniformierte Bahnpolizisten, die sich in unserer Nähe aufhalten. Ein Zug fährt ein. Einer der beiden bedeutet uns es sei noch der falsche – nicht der Ringzug, der käme in zehn Minuten. Er spricht recht gutes Englisch. Tatsächlich fährt einige Minuten später unser Zug ein. Von unseren freundlichen Helfern werden wir ganz ans Ende des Zuges geführt. Man will scheinbar Platz für uns schaffen, der Zug ist brechend voll. Oder doch nicht? Quer durch unser Abteil ist ein Seil gespannt. Hinter diesem Seil uniformierte Polizisten. Von der Decke baumeln Westen und Schlagstöcke. Der zweite Uniformierte nimmt neben uns Platz. Wir sind sicher. Und überwacht. Weil die Fenster niedrig sind und wir meist in einem Graben fahren, können wir kaum etwas sehen. Auch fühlen wir uns nicht wohl im Polizeiabteil. Ob man uns nach dem Fahrkartenkauf extra immer auf den nächsten Zug verwiesen hat, bis unsere ‘Aufsicht’ organisiert war? Immerhin fährt die Ringbahn am berüchtigsten Gefängnis der Stadt vorbei… Kurz entschlossen verlassen wir den Zug. Wir sind hungrig, die Hitze hat uns müde gemacht und mit einem Taxi fahren wir in die Stadt zurück.

26. – 27. Januar 2011

Einen Tag Zwischenstop. Julia fährt morgen früh in den Süden. So früh, dass sie das Frühstück verpassen wird. Zur Entschädigung und als Abwechslung zum Seafood gehen wir italienisch essen. Die Rindfleisch-Lasagne im Café Dibar wurde uns empfohlen und ist wirklich etwas besonderes: sie schmeckt tatsächlich italienisch. Auch der Tomate Morzarella Salat ist ein Gedicht, nicht zuletzt wegen der besten Tomaten der Welt, die auf schwimmenden Feldern im Inle Lake gezogen werden. Nach dem Essen wollen wir ein paar Schritte laufen und sehen einen funkelnagelneuen Spielzeugshop ‚Toys‘ und gleich nebenan ebenso neu und hochmodern ausgestattet den Buchladen ‚Monument-Books‘. Hier gibt es nur englischsprachige Bücher, bei den Romanen viele Klassiker, so auch George Orwells 1984 und Farm der Tiere, von denen wir gehört hatten, dass sie in Myanmar verboten wären. Reiseführer, Populärpsychologie, Karten der Nachbarländer, Literatur zu Buddhismus, teilweise aus amerikanischen Verlagen. Beeindruckend die Kinderabteilung mit Lernheften zu modernen Themen, Computer, Internet und Englisch. Die Lebenshilfeecke scheint jedoch falsch befüllt. Hier tummeln sich die gesammelten Werke von Roald Dahl. Die Fahrt ins Hotel wird unerwartet schwierig. Keines der Taxis, die wir stoppen, will uns fahren. Eines verlangt einen Fantasiepreis. Erst in einer Nebenstraße gelingt uns die Fahrt. Warum – dieses Rätsel lösen wir nicht.

 

6. – 9. Februar 2011

Die letzten drei Tage verbringen wir noch einmal in Yangon. Noch einmal wollen wir mit Julia einen ganzen Tag  in der Shwedagon-Paya verbringen. Doch vorher ist Shoppen angesagt. Robert sucht eine Shanbag – eine traditionelle Umhängetasche -; wundervolle Stoffe und Tücher sehen wir uns auf dem Markt an, Holzschnitzereien und natürlich Jade, Jade, Jade.

Auf dem Weg zum Supermarkt – wir pflegen unsere Darmflora mit Yoghurt – kommen wir an einem überdachten Arzneimittelmarkt vorbei. In großen Mengen werden hier Pillen und Salben gehandelt. Kaum etwas davon soll echt sein – aber wer weiß das schon. Mückenmittel bekommen wir erst im dritten Anlauf. Eine Salbe zum Einreiben der Haut, die ihren Dienst tut und sogar noch halbwegs gut riecht. Auch die praktischen kleinen Flaschen mit eingedicktem Alkohol, mit dem man sich vor dem Essen die Hände desinfizieren kann, gibt es hier. Gleich nebenan eine Näherei  an der anderen. Frauen und auch Männer sitzen auf Podesten mit altmodisch wirkenden ‚Singer‘-Nähmaschinen. Manche sogar elektrisch betrieben. Hinter ihnen verblichene Bilder von Frauen in hübscher Kleidung. All das kann man sich hier schnell und preiswert aus dem auf einem weiteren Markt erstandenen Stoffen nähen lassen. Nach allem, was wir sehen, hat (Kunst-)Handwerk einen hohen Standard in Myanmar.

Diesmal ist wolkenloser Himmel, das makellose Blau und das Gold der Shwedagon-Paya bilden einen klassischen Postkartenkontrast. Es ist unglaublich heiß, wir müssen suchen, bis wir endlich einen Wasserverkäufer finden. In der Mittagshitze beherrschen Touristen und ihre Guides die Szene. Erst am späten Nachmittag wird das religiöse Leben stärker. Natürlich bleiben wir, bis die Sonne untergegangen ist und die künstliche Beleuchtung die Paya in warmes Licht taucht.

Ein letztes Mal wollen wir die leckere Rindfleisch-Lasagne beim Italiener essen. Es ist schon voll. Aber dort hinten am Tisch, den kennen wir doch… Dort sitzt Frank, bei dem wir in Jakarta zu Gast waren. Die Welt ist klein! Das er beruflich viel in Myanmar zu tun hatte, wussten wir. Aber das wir uns hier, in einem Fünf-Tische-Restaurant an unserem letzten Tag im Land treffen, ist schon ein wahnsinniger Zufall. So können wir ganz frische Grüße an unsere Freunde Tippe & Wolf überbringen, mit denen wir uns schon am übernächsten Morgen in Indien treffen werden.

In Yangon verabschieden wir uns auch von Julia, die noch einmal  nach Thailand ans Wasser und dann nach Neuseeland fährt.

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