Aufbruch, Myanmar
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Mandalay (Myanmar)

27. Januar Yangon-Mandalay

Als wir aufwachen ist Julia schon gefahren. Ein bisschen traurig nachdem wir so viele Tage gemeinsam verbracht haben. In zehn Tagen werden wir uns hier noch einmal wiedersehen. Wir sitzen lange beim Frühstück, ich esse soviel Pomelo wie ich bekommen kann, dann packen wir und checken aus. Wir lassen die Rucksäcke im Hotel und gehen in die Stadt. Aber schon nach zwei Stunden sind wir so voll mit Reizen, dass wir ins Hotel zurück kehren und die Zeit bis zur Abfahrt unseres Busses auf der Dachterrasse verbringen. Um 19 Uhr bringt uns ein Taxi zum Busbahnhof. Es ist wieder ein anderer, den wir noch nicht kennen. Außer uns ist keine Langnase an Bord. Der Bus hat zwar keine Toilette, ist aber sonst recht modern. Es gibt sogar Nackenkissen. Zuvor kaufen wir noch etwas Proviant und werden von zwei kleinen Jungen (10-12?) geschickt und geschäftig in ein Restaurant bugsiert, wo wir eine Starkola trinken. Diese einheimische Kola ist viel weniger süß als ihre beiden amerikanischen Konkurrenten und ausgesprochen lecker. Das Käsesandwich, das wir an einem anderen Stand gekauft haben, entpuppt sich dagegen als ein Fake: ein 5mm breiter Käsestreifen ist nur an die sichtbare Schnittfläche aufgelegt, zwischen den beiden Scheiben ist nichts.

Kaum aus der Stadt fahren wir auf einem modernen vierspurigen Highway. Viele Nachtbusse sind unterwegs, sonst gibt es kaum Verkehr. Auf dem Flachbildschirm werden amerikanische Spielfilme mit burmesischen Untertiteln gezeigt. Gut für uns. Um halb eins erreichen wir eine völlig futuristische Raststätte. Hier reihen sich etwa fünf Restaurants aneinander. Sie sind gut gefüllt, der Parkplatz ist voll von Reisebussen. Blinkende Lichterketten, Laser, die Figuren auf den Boden zeichnen, Leuchtreklamen – ist das noch Myanmar? Ganz sicher, nur nicht das, was wir erwartet hatten.

Kurz nach der Rast sehen wir rechts eine vierspurige Straße abgehen. Wie unsere ist sie in gelbes Natrium-Dampf-Licht getaucht. Eine Kontrollstelle markiert die Einfahrt. Hier geht es zur neuen Hauptstadt, dem neuen Regierungsitz. Bald schlafe ich wieder ein.

28. Januar  2011 Mandalay

Viel früher als geplant erreichen wir um 4:30 Uhr den Busbahnhof von Mandalay. Es ist schon so voll, dass unser Busfahrer eine volle Runde fahren muss, bevor er einen Platz zum Halten findet. Wir sehen ein ‚Willkommen‘-Schild des Hotels, bei dem wir telefonisch gebucht haben und haben einen Anlaufpunkt. Das Schild war aber gar nicht persönlich gemeint sondern dient zum ‚Einfangen‘ neuer Kunden. Trotzdem kommen wir gut in die Stadt. Unser Zimmer ist noch nicht frei und wir müssen bis 10 Uhr warten. Das fällt uns diesmal schwer, da wir beide nicht allzuviel geschlafen hatten. Als wir das Zimmer haben fallen wir erstmal aufs Bett. Ich spüre eine heftige Erkältung kommen, und nach dem Aufstehen läuft dann auch die Nase. Wir wollen heute noch etwas von der Stadt sehen, fahren mit der Rikscha zu einigen Tempeln und Klöstern am Fuß  von Mandalay-Hill. Zuerst zur wunderschönen Kyauktawgyi Paya, in deren Zentrum ein 8 Meter großer und 900 Tonnen schwerer Buddha sitzt, der aus einem einzigen Marmorstück herausgearbeitet wurde. Wir werden von einem Verkäufer angesprochen, von dem wir schließlich eine Glocke kaufen. Robert, mal wieder naiv (Selbstaussage) wie er ist in dem Glauben, dass diese Glocke tatsächlich vom Onkel des Verkäufers hergestellt wurde.  Nur komisch, dass wir die gleiche Glocke in jeder weiteren Paya angeboten bekommen, haben die alle den gleichen Onkel?

Wir fahren weiter zur Sandamani Paya, in der unzählige weiße Stupas stehen, dann zur Kuthodaw Paya, in dem auf 729 Marmorsteinen ‚the world’s biggest book‘ geschrieben steht, bloß schreibt keiner darüber, dass in der Sandamani Paya nebenan ein Buch auf über 1000 Steintafeln geschrieben ist.

Zum Sonnenuntergang erklettern wir den Mandalay Hill, zur dessen Spitze sich eine lange überdachte Treppe hochschlängelt und von der aus sehr gut die gesamte Stadt zu überblicken und zu sehen ist.  Dabei geht es nicht einfach gerade aus. Oft denken wir, gleich oben zu sein um nur einen weiteren Wegweiser ‚to top‘ zu entdecken.  Wir laufen durch ausgestorbene Restaurants, an kleinen Tempeln und vernachlässigten Buddhabildern vorbei um schließlich auf dem sehr sauberen und top-renovierten Gipfel anzukommen. In der Nähe der Hügelspitze befindet sich ein riesiger stehender Buddha, dessen ausgestreckter Arm (eine einmalige Geste) in Richtung des Palastes zeigt, mit dieser Geste prophezeite der Buddha damals den Standort für die zukünftige Hauptstadt des Königreiches. Endlich oben treffen wir dann plötzlich jede Menge westlicher Touristen mit ihren Guides, die wohl einen anderen Weg genommen haben.

Das Irrawaddy-Tal ist riesig, der Fluss, jetzt zur Trockenzeit eher klein immer noch gewaltig. Ich entdecke eine Struktur, die mich im Grundriss an das KZ Sachsenhausen erinnert. Ein Halbkreis mit in Sektoren angelegten Gebäuden und einem zentralen Wachturm. Und tatsächlich – das entnehme ich dem Gespräch mit einem Guide – handelt es sich um das Gefängnis. Mindestens drei der Gefängnisse in diesem Land sollen so aussehen. Zu Grunde liegen soll ein alter englischer Plan für Gefängnisbauten. Was zu recherchieren wäre.

Schon bevor die Sonne ganz untergegangen ist verlassen wir den Berg. Ein Verschwinden im Dunst – pah!, da sind wir Besseres gewohnt. Zum Abendessen verlassen wir uns auf einen Tipp unseres Hotels. Ein burmesisch-chinesisches Restaurant um die Ecke. Das Essen ist lecker und wir genießen es. Im Gastraum sitzen außer uns nur Burmesen. Hier wird getrunken und gegessen. Meist wird ein Brandwein getrunken, mit Wasser verdünnt. Und unter jedem Tisch steht ein Eimer. Für die Betel-Spucke. Und es wird ordentlich Gebrauch davon gemacht.

Die Bilder zu Mandalay kommen im zweiten Teil

29. Januar 2011  Paleik – Inwa – Amarapura

Für heute Morgen haben wir ein ‚Blue-Taxi‘ bestellt, das uns zu drei der alten Hauptstädte um Mandalay fahren wird. Unser Fahrer ist jung, freundlich und spricht sehr gutes Englisch. Wir fahren nach Paleik südlich von Mandalay. Hier steht der so genannte Schlangentempel. Attraktion soll die täglich um 11 Uhr stattfindende Fütterung der Riesenschlangen sein. Wir haben noch Zeit und unser Fahrer fährt uns um die Ecke. Hier liegt ‚Village-Bagan‘, über 50 Stupas und Tempel, die mit einem Dorf verwoben sind. 200 sollen es gewesen sein, bevor das Dorf hier entstanden ist. Kühe und Schweine ruhen in der Morgensonne zwischen den Tempeln. In einem stören wir einen schlafenden Mönch auf. Ein Eselkarren rollt einen Weg entlang. Eine unglaubliche Stille entfernt Geräusche dörflichen Lebens. Es sind keine Ruinen, die meisten Stupas sind gepflegt, einige vielleicht bedeutendere wirken restauriert. Keine Touristen. Zauber und Frieden erleben wir bei unseren Streifzügen durch das Gelände. Die Menschen, die wir treffen sind freundlich und lächeln uns zu. Warum hier so wenig los ist? Kaum bekannt sagt unser Fahrer, für einheimische Gläubige ist der Schlangentempel wichtig und westliche Touristen sind eher selten.

Drei Pythons liegen reglos zu Füßen einer mittelgroßen Buddhafigur. Ein ‚Aufseher‘ kommt, und wer will kann die Schlangen jetzt streicheln. Ehrfürchtig stehen die Menschen da. Kinder fürchten sich. Die Schlangen liegen ganz still. Es ist elf. Jetzt kommen Helfer und die Schlangen werden in den Nebenraum getragen. Die Menschen folgen. Dort steht ein 2×2 Meter großes Wasserbecken. Die Pythons werden hineingelassen und bekommen das Ende massiert, bis sie einen gelblich-weißen Stuhlgang haben. Ab und an wird der Kopf einer Schlange heraus gehoben und ein Alpha-Jugendlicher posiert vor der Kamera. Sorgsam wird die Schlange herausgehoben und abgetrocknet. Alle können mitmachen (und sich vermutlich Verdienste erwerben). Danach ist Fototermin. Stolz posieren Erwachsene und Kinder mit einem Stück Schlange dem professionellen Fotografen. Das geht sehr zügig, ‚der Nächste bitte’… Robert wird von vier Jugendlichen angesprochen mit Ihnen auf dem Foto zu posieren und bekommt etwas später ’sein‘ Foto gezeigt.

Wir erkunden den Tempel weiter und kommen zu dem Bereich der 37 Nats (Geister), die in Myanmar verehrt werden. Robert lächelt und wird verdonnert den Nats seinen Respekt zu erweisen (er könne beten und um alles bitten). Nachdem Respekt erweisen kommt natürlich die Donation und als Robert seinen Schein zum Tütchen gefaltet einem Geist in die Schürze schiebt, fängt die Hüterin des Geisterschreins an zu singen. Der Geisterglauben ist in Myanmar weit verbreitet und fast in jedem Tempel finden wir einen solchen Schrein. Obwohl Geister und jede Form höherer Wesen dem Buddhismus fremd sind, sind die 37 Nats und die Wochentagstotems tief in der praktizierten Religiosität verankert.

Als wir zurück kommen erleben wir die tatsächliche Fütterung der Schlangen. Die Fotosession ist vorbei und es sind kaum noch Besucher anwesend. Wer glaubt die Schlange dürfe jetzt ein Kaninchen jagen irrt. Ein Wärter steckt ihr einen Kugelschreiber in den Schlund um ihn offen zu halten und ein Besucher erwirbt sich Verdienste, indem er eine rote Flüssigkeit in den Schlund der Schlange gießt.

Unser nächstes Ziel sind die Tempel von Inwa, jener antiken Stadt, die von Flüssen umgeben auf einer Art Insel liegt. An der Fähre stoppen wir und essen zu Mittag. Roberts ‚Fried Rice‘ sieht wesentlich gesünder und besser verdaulich aus als mein Hühnchencurry (mit Knochen). Nach dem Übersetzen fahren wir auf einen Pferdekarren von Tempel zu Tempel. Anders lassen sich die Entfernungen hier nicht zurücklegen. Die Tierhaare machen besonders Robert sehr zu schaffen und er bekommt allergisches Astma. Am stärksten beeindruckt hat uns ein fein geschnitztes Teakkloster, das auf alten Pfählen über dem Boden steht. Die Damen von der staatlichen Eintrittskasse verziehen keine Miene und wirken so anders (kalt) als alle Menschen, die wir hier kennen lernen. Das Kloster besteht aus zwei Räumen. In der Ecke ist eine kleine Schule eingerichtet. 10 Kinder sitzen auf dem Boden, leihern auswendig Gelerntes, vor ihnen ein Mönch, der in einer Zeitung liest.

Nach einer längeren staubigen Fahrt erreichen wir einen Aussichtsturm. Oben treffen wir eine Gruppe junger Männer, die zur Gitarre heimische Schlager singen. Es ist eine wunderbare Stimmung. Die Lieder klingen etwas melancholisch, warm und angenehm. 20 Meter über dem Boden sind wir für ein paar Minuten fern vom Touristentrubel. Hier an den Tempeln gibt es wieder ‚Tempelkinder‘ und auch jede Menge erwachsener Andenkenverkäufer, wie sie uns noch aus Kambodscha vertraut sind.

Zwischen den einzelnen Tempeln fahren wir mit unserem Pferdekarren auf wunderschönen Alleen durch grüne Reisfelder und andere Landschaften. Nach gut zwei Stunden haben wir unsere Rundfahrt fast beendet. In voller Fahrt springt ein Junge auf den Sitz neben unseren Fahrer und fragt uns gleich nach Wasser. Es ist der Sohn des Karrenlenkers. Zurück auf dem Festland müssen wir den Taxifahrer wecken. Er hatte noch nicht mit uns gerechnet.

Wir fahren zum Sonnenuntergang nach Amarapura. Hier steht die längste Holzbrücke der Welt. Beinahe 2 km führt sie auf Teakbaumstelzen über einen Fluss und einen See. Viele Burmesen sind mit uns gemeinsam unterwegs. Viele Fotos werden gemacht. Auf der anderen Seite – hier liegt ein kleines Dorf – gleich am Brückenkopf befindet sich ein ‚Digital Photostudio‘ und wir werden Zeuge eines Shootings. Ein etwa 16 jähriger junger Mann steht in einer amerikanischen Diplomandenuniform stolz mit Diplom und Familie vor einer blauen Leinwand. Allzu tief dringen wir nicht ein. Auch das Ufer – idyllisch, mit großen Bäumen, aus der Ferne – ist mit Abfall übersäht und stinkt nach Urin.

Auf dem Rückweg kommen wir mit einem jungen sehr gut englisch sprechendem Mönch in Kontakt. Von ihm bekomme ich ein kleines Heftchen mit Fragen und Antworten zum Buddhismus aus westlicher Sicht. Ich lese es in den nächsten Tagen – ein wirklich klarer Text hilft mein Halbwissen zu ergänzen. In den Tempeln fällt es mir jetzt leichter zwischen Kult und Aberglauben zu unterscheiden. Unser Gespräch wird von einem weiteren Mönch gefilmt. Warum auch immer. Jetzt ist die Zeit für einen wunderschönen Sonnenuntergang gekommen. Leichter Nebel liegt über dem Wasser und wir machen Fotos.

Diesen Abend will ich eigentlich nicht asiatisch essen. Das BBQ bietet europäische Küche. Aber wir erreichen es nicht. Die 26. Straße, eine der Hauptstraßen, die an der Südseite des Palast entlang führt, zu überqueren wird zum unüberwindlichen Hinderniss. Wir geben auf und gehen zum chinesisch-burmesischen Restaurant vom Vorabend. Bestellen mein Essen von gestern, Hühnchencurry mit Zwiebelsauce und bekommen Hühnchencurry süß-sauer: Pech.

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