Aufbruch, Nepal
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Kathmandu (Nepal)

Mir scheint, wir sinken nicht, sondern die Erde kommt näher, als sich unser Flugzeug Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal, nähert. Der Flughafen schockiert mich in seiner Einfachheit. Hauptstadt eines der ärmsten Länder der Welt. (Nepal ist seit vielen Jahren im Umbruch: mehr wissen… lest vor allem den Abschnitt über den Bürgerkrieg)

Von dieser Armut spüren wir im überreichen Angebot der Touristenviertel nicht allzuviel. Es gibt alles, sogar deutsche Gummibärchen (die biologischen, die Kim mir zum Geburtstag schenkt, sind aber viel viel leckerer). Allerdings ist es das erste Mal, dass ich Klebstoff schnüffelnde Kinder im Grundschulalter sehe. Zwei umlagern uns, werden verjagt, wir kaufen ihnen Kekse und Rosinen, sie freuen sich, tanzen auf der Straße, aber balgen sich wie die Tiere um die größere Tüte. Das ist Ernst, kein Spiel… Als sie am nächsten Tag wieder Kekse bekommen, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sie sie dem Händler wieder zurück verkaufen. Klebstoff kostet ja auch Geld. Die wiederkehrenden Begegnungen mit diesen kleinen Menschen gehören für Robert und mich zu den traurigsten Erlebnissen unserer Reise. (Eine englischsprachige Information mit Interviews usw. findet ihr hier… PDF)

Davon abgesehen ist Kathmandu ist eine wunderbare Stadt. Aus Indien kommend sind wir verzaubert von der Freundlichkeit der Menschen, ihrem Strahlen und ihrer Unfähigkeit nur Geld zu sehen. Aber auch von den vielen wunderschönen Holzgebäuden, Tempeln und Palästen. Robert ist so glücklich Nepal wieder zu sehen, dass er beinahe auf der Straße tanzt und zu jedem Einwohner Kontakt aufnimmt. Ich komme diesen Nachmittag kaum hinterher. Es ist jetzt schon sicher – wir kommen auf jeden Fall wieder.

Wir schlafen im Himalajan-Guestehouse. Berühmt, weil die Tochter der Eigentümer-Familie auf dem Gipfel des Mount Everest ihren Sherpa geheiratet hat. Das Haus hat viele Stockwerke, nur drei kleine Zimmer je Etage, aber eine wunderbare Dachterrasse mit Blick über die Dächer der Stadt. In unserer Straße gibt es ein unter der Erde gelegenes hinduistisches Heiligtum. Einmal erleben wir es offen, im Alltag wird es von Betonplatten abgedeckt. Im Kathmandutal sind Hinduismus und Buddhismus stark in einander verwoben. Viele Shiva-Lingams zeigen meditierende Bhuddas. In den Bergen überwiegt der Buddhismus, in der Stadt ist der Hinduismus stärker erlebbar: Überall kleine Schreine mit Götterbildern, Glocken, Öllampen und Opfergaben. Shiva wird hier in seiner blutrünstigen Inkarnation als Bhairava verehrt. Er ist der Schutzgott Nepals. (mehr wissen…) Friedlicher, beinahe eine Ruhrpottidylle, geben sich da Shiva und Pavarti, wenn Sie auf dem Durbar Square aus dem kleinen Fenster auf die Bewohner der Stadt herabsehen.

Auf einem Fenster lesen wir beste Neujahrswünsche für das Jahr 2068. Der offizielle Kalender Nepals unterscheidet sich 56 Jahre, 8 Monate und 17 Tage von unserem. Es ist ein auf Sonne- und Mondphasen aufbauender Kalender. (mehr wissen… ) Die Zählung beginnt bei einem entscheidenden Sieg des Königs Bikramaditya Samvat, nicht wie in Thailland bei Buddhas Geburt.

Eine Besonderheit Kathmandus ist die Rationierung der Elektrizität. Nur zehn Stunden am Tag gibt es Strom, zwei bis dreimal zu täglich wechselnden aber festgelegten Zeiten. Danach richten sich auch die Speisekarten in manchem Restaurant. Wenige Tage aber auch meinen Schlaf: Meine Festplatte mit den 18.000 Bilddateien unserer Reise hat den Geist aufgegeben. In der Stromzeit betreibe ich Datenrettung und mache mich dafür auch schon mal in der Nacht wach. Bilanz kann ich erst in Bangkok ziehen. Etwa 120 Bilder aus den ersten beiden Tagen unseres Trecks sind unwiederbringlich verloren. Alle anderen haben wir wieder. Wie gut.

In Nepal begleitet uns Kim. Sie kommt aus Rostock geflogen um mit uns gemeinsam das Abenteuer auf dem Dach der Welt zu erleben. Nachdem wir in Kathmandu ein paar Tempel besucht und die fehlenden Winter- und Wanderklamotten eingekauft haben, einen Guide und Träger gefunden haben, machen wir uns auf den Weg. Obwohl wir einiges an Gepäck in Kathmandu lassen, kommen doch zwei ordentliche Rucksäcke zusammen und mein ‚Handgepäck‘, Fotografie und begleitende Technik sei Dank, hat auch kompakte 8 kg. Und das alles wird immer schwerer werden, je dünner die Luft wird. Wir sind froh uns für Porter-Guide und Porter entschieden zu haben und haben Glück, beide sind sehr herzliche und auch verantwortungsvolle Menschen.

Nachdem wir aus den Bergen zurück sind, werden wir noch ein paar entspannte Tage hier verbringen. Ostern fällt in diese Zeit, richtigen Kuchen und Tee/Kaffee gibt es im Snowman-Café, gleichzeitig Treffpunkt Kathmandus Stadtjugend. Wir besuchen Pashupatinath, die heilige Verbrennungsstätte im Kathmandutal. Viele kleine im Raster angeordnete Tempelchen mit Lingam erinnern an einen Friedhof, doch das täuscht, hier werden Leichen gläubiger Hindus verbrannt, die Asche in einen kleinen Fluss geworfen – gemessen am Ganges ein niedriger Bach. Gleich unterhalb eines Berbrennungsplatzes durchwühlen zwei Männer den Schlamm des Flüssleins. Sie suchen Schmuck oder Geld, das nicht mit verbrannt ist. (mehr wissen…)

Mit einem Taxi fahren wir am späten Nachmittag zur Bodnath-Stupa. Sie ist eine der wichtigsten buddhistischen Pilgerstätten im Himalaja. Besonders in den frühen Morgen- oder jetzt in den frühen Abendstunden laufen die Pilger im Uhrzeigersinn viele Male um die Stupa. Wir umrunden sie insgesamt drei Mal, essen dann im touristischen ‚Aussenring‘ zu Abend. Der Lichtwechsel ist ein Erlebnis. In einer der folgenden Tage erleben wir einen Generalstreik, von ethnischen Minderheiten organisiert. Die Regierung, die seit drei Jahren an einer Verfassung arbeitet, die einen Monat später, am 28. Mai verabschiedet werden soll, soll gedrungen werden diesen Termin auch einzuhalten. Die Verfassung soll den Minderheiten, die bisher vom politischen Leben ausgeschlossen waren, mehr Mitsprache an der Gestaltung des Landes garantieren. Diese Details kennen wir am 27. 5. noch nicht. Wir erleben aber ein fast ausgestorbenes Kathmandu. Fast alles Geschäfte bleiben geschlossen, nur wenige Lokale haben geöffnet. Unser Snowman-Café hat den Rolladen halb geschlossen. Drunter durch kriechend finden wir drinnen das fast normale Leben.

Kim fliegt am 28. April zurück nach Deutschland. Wir haben noch drei Tage länger. Am 1. Mai verlassen wir dieses schöne Land und seine wunderbaren Menschen in Richtung Thailand, der letzten Station unserer Reise. (mehr wissen Kathmandu…)

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